In der zweiten Tarifverhandlung für die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie Niedersachsen und Bremen haben die Arbeitgeber in der zweiten Runde erneut kein Angebot vorgelegt. Dieses stellt kurz vor Weihnachten eine Vollbremsung der Verhandlungen dar und zieht eine immense Enttäuschung auf Seiten der Beschäftigten mit sich. Diese gehen in den Betrieben statt in die wohlverdienten Weihnachtsferien, jetzt in die Warnstreikplanungen, um Druck für ihre Forderung zu machen.
„Die Betriebe der Branche befinden sich auf sehr unterschiedlichen Fahrtstrecken: Während die einen Rendite ohne Ende einfahren und die Auftragsbücher voll haben, sind andere in Kurzarbeit und am Kämpfen. Die Arbeitgeber müssten gerade in einer solchen Situation Verantwortung übernehmen und einsehen, dass wir auch dieses Mal am Ende eine gemeinsame Lösung brauchen. Dass sie jetzt kurz vor Weihnachten jedoch ohne ein Angebot an den Tisch kommen, sorgt nicht nur für massive Enttäuschung, sondern auch für Wut. Die Arbeitgeber entlassen ihre Beschäftigten damit kurz vor Weihnachten in eine unbekannte Zukunft, statt an einer Lösung zu arbeiten“, kritisiert Markus Wente, Verhandlungsführer der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. „Kurz vor dem Weihnachtsfest reicht es nicht ohne Besteck am Verhandlungstisch zu erscheinen, wenn man wirklich gewillt ist nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Unsere Kolleginnen und Kollegen brauchen echte Wertschätzung – die Chance auf eine Befriedung vor den Feiertagen und damit in der Friedenspflicht hat die Gegenseite damit verspielt – um nicht zu sagen: voll vor die Tanne gefahren!“
Die IG Metall fordert 5 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, eine deutliche Aufwertung der Ausbildungsvergütungen sowie eine mitgliederwirksame Komponente, die tarifliche Vorteile exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder vorsieht.
Die wirtschaftliche Begründung liegt auf der Hand: Seit Anfang 2022 sind die Verbraucherpreise um 17,4 Prozent gestiegen, die Einkommen der Beschäftigten in der Branche jedoch nur um 12,9 Prozent. Der reale Kaufkraftverlust beträgt also fast fünf Prozentpunkte – ein dauerhafter Einschnitt in die Lebenswirklichkeit der Menschen.
„Die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben haben die Preissteigerungen längst bezahlt – an der Supermarktkasse, an der Zapfsäule, auf der Stromrechnung“, so der Metaller. „Sie erwarten jetzt, dass ihre Arbeit diese Preissteigerung nachvollzieht und ihr Lebensstandard gesichert ist. Dazu gehört nicht nur der Nachholeffekt der vergangenen Jahre, sondern auch die erwartete Steigerung in 2026 durch höhere Sozialabgaben oder steigende Rechnungen an der Tankstelle!“
Besonders dringlich bleibt die Situation der Auszubildenden. Ihre Vergütungen liegen teils bis zu 200 Euro monatlich unter dem Niveau anderer Industriebranchen. „Das ist eine Schieflage, die weder zeitgemäß noch verantwortbar ist“, betont Wente. „Eine Branche, die auf Zukunft in Deutschland setzt, darf den Nachwuchs nicht mit Niedrigvergütungen abschrecken. Gute Ausbildung ist eine Zukunftsinvestition und braucht faire Bezahlung – alles andere ist ökonomisch unverantwortlich. Letztlich stehen auch die Auszubildenden vor unbezahlten Rechnungen, einer steigenden Miete und Mobilitätskosten, die nicht geringer werden. Die Behauptung der Arbeitgeber, die Auszubildenden könnten zuhause bei Mutti wohnen, ist eine Einstellung von alten weißen Männern und darüber hinaus aus der Zeit gefallen!“
Weiterhin setzt die IG Metall auf ein Signal der Anerkennung für ihre Mitglieder: „Tarifverträge entstehen nicht von selbst – sie sind das Ergebnis solidarischer Organisation. Es ist nur gerecht, wenn diejenigen, die diesen Erfolg möglich machen, auch besonders davon profitieren. Beschäftigte, die sich bewusst gegen eine Mitgliedschaft in der IG Metall entscheiden und sich somit der Solidargemeinschaft entziehen, müssen damit rechnen nicht den ganzen Kuchen abzubekommen“, erläutert Wente zur Forderung einer mitgliederwirksamen Komponente.
Da die Arbeitgeberseite bislang keinerlei Angebot vorgelegt hat, wird die IG Metall in den kommenden Wochen den Druck in den Betrieben erhöhen. „Wir bereiten betriebliche Aktionen und Warnstreiks vor“, kündigt Wente an. „Wenn die Arbeitgeber den Weg der Verzögerung fortsetzen, wird der Protest auf die Straßen und vor die Werkstore getragen.“
Die Friedenspflicht endet Mitte Dezember: „Dass die Friedenspflicht kurz vor Weihnachten endet, ist keine Einladung zur Besinnlichkeit. Die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben sind bereit, für ihre Forderung Druck zu machen und diese im Zweifel durchzusetzen“, so der Verhandlungsführer der IG Metall.
Die Holz und Kunststoff verarbeitende Industrie Niedersachsen (HVI) beschäftigt rund 18.000 Menschen in der Herstellung von Möbeln, Fenstern, Türen, Verpackungen und Zulieferteilen etwa für die Automobilindustrie. Sie ist ein stilles Rückgrat der industriellen Wertschöpfung – oft mittelständisch geprägt, hochqualifiziert, systemrelevant.
Quelle: IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Presseinformation vom 10.12.2025.