Rechtsprechung zur Tarifbindung Keine Lohnerhöhung nach Verbandsaustritt des Arbeitgebers

Kann nach Austritt aus dem Arbeitgeberverband ein Entgelttarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden?

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21. Dezember 2025 21. Dezember 2025 |
Aktualisiert am 20. Dezember 2025 20. Dezember 2025


Nein, sagt das Arbeitsgericht Suhl und hat die Klage einer langjährig beschäftigten Verkäuferin gegen den Arbeitgeber abgewiesen.

Das war der Fall
Eine seit 1997 beim Arbeitgeber beschäftigte Verkäuferin hatte auf Zahlung einer tariflichen Entgelterhöhung sowie einer Inflationsausgleichsprämie geklagt und berief sich auf eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, nach der die Anwendung der jeweils gültigen Fassung des einschlägigen Tarifvertrags erfolgen soll. Nach dem Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband zum 31.12.2023 kam es am 28.06.2024 zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags mit ver.di, der rückwirkend zum 1.6.2023 Lohnerhöhungen und eine Inflationsausgleichsprämie vorsieht. Eine entsprechende Zahlung an die Arbeitnehmerin lehnte der Arbeitgeber ab

Das sagt das Gericht
Das Arbeitsgericht (ArbG) Suhl lehnte die Anwendbarkeit des Tarifvertrags ab. Mangels Tarifbindung sei keine normative Geltung des neuen Tarifvertrags gegeben, da der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht mehr dem Arbeitgeberverband angehörte, §§ 3, 4 TVG. Die Nachbindung an den bisherigen Entgelttarifvertrag ist durch dessen Novellierung am 28.06.2024 erloschen. An den neuen – nunmehr streitgegenständlichen – Tarifvertrag entstand mangels mitgliedschaftlicher Legitimation keine Bindung, was auch dessen rückwirkende Änderung zum 1.6.2023 nicht ändert. Abzustellen ist auf die Legitimation des Tarifvertrags bei dessen Abschluss.

Das ArbG Suhl hat auch die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG verneint. Ein Tarifvertrag endet demnach mit seiner inhaltlichen Änderung, weshalb sich die Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG unmittelbar an die Nachbindung des § 3 Abs. 3 TVG anschließt. Damit wirkt der zwischen den Parteien einst kraft originärer Tarifbindung geltende Entgelttarifvertrag zwar nach § 4 Abs. 5 TVG bis zu dessen Ersetzung durch eine andere Abmachung weiter. Entsprechend der Funktion der Nachwirkung bleiben die tariflich geregelten Arbeitsbedingungen jedoch in dem Zustand erhalten, wie sie sich zur Zeit des Ablaufs des Tarifvertrags darstellten, sind also statisch und. An künftigen Änderungen des Tarifvertrages partizipieren die Arbeitsvertragsparteien damit nicht, weshalb sich die Verkäuferin auch nicht auf die novellierten Tarifbestimmungen berufen kann, da sich diese nur auf den Normenbestand zum Zeitpunkt der Änderung des Entgelttarifvertrags, also auf den alten Tarifvertrag beziehen.

Der streitgegenständliche Tarifvertrag findet auch nicht kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Denn § 14 Abs. 1 ihres Arbeitsvertrages ist aus Vertrauensschutzgesichtspunkten als sogenannte Gleichstellungsabrede zu verstehen. Danach hat die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach den tarifvertraglichen Regelungen, die bei Wegfall der Tarifgebundenheit der Beklagten durch Verbandsaustritt galten. Die spätere Tariferhöhung steht ihr daher nicht zu.

Quelle: Homepage Bundverlag, veröffentlicht am 16. Dezember 2025. Angaben zum Urteil: ArbG Suhl (15.09.2025), Aktenzeichen 5 Ca 555/25.